Dieser Beitrag widmet sich der Vorstellung des in diesem Jahr gestarteten Verbund- sowie Citizen-Science-Projekts Gruß & Kuss – Briefe digital. Bürger*innen erhalten Liebesbriefe und möchte einen Einblick in das Forschungs- sowie Digitalisierungsvorhaben geben.
Das innovative Forschungsprojekt erschließt, digitalisiert und analysiert in enger Zusammenarbeit von Wissenschaftler_innen und interessierten Bürger_innen private Liebesbriefe, die in Form von Spenden seit 1997 zusammengetragen und im Liebesbriefarchiv Koblenz verwahrt werden. Das Archiv umfasst derzeit 22.000 deutschsprachige Liebesbriefe aus insgesamt 52 Ländern und drei Jahrhunderten. Vom handschriftlichen Brief über Schreibmaschinentexte bis hin zu (Liebes-)Botschaften via E-Mail und WhatsApp stellen diese Liebesbriefe eine bisher unzugängliche Quelle unserer (Alltags-)Kultur, Alltagssprache und unserer Lebenswirklichkeit rund um gesellschaftliche sowie historische Veränderungen dar und erlauben eine neue Perspektive auf die Kulturgeschichte der Liebe. Liebesbotschaften und ihre mediale Vermittlung sollen deshalb im Zuge des Projekts als wertvolles kulturelles Gedächtnis (digital) bewahrt werden. Gleichzeitig möchte Gruß & Kuss das Verständnis für die eigene Sprache als kulturschaffendes Werkzeug vermitteln und die mitforschenden Bürger_innen in ihrer Selbstwahrnehmung als Träger_innen von Kultur bestärken. Hierfür werden die interessierten Bürgerforscher_innen im Rahmen verschiedener Partizipationsmöglichkeiten aktiv in den Forschungsprozess eingebunden und dabei methodisch von Wissenschaftler_innen begleitet. Die Ergebnisse und Erkenntnisse dieser (bürger-)wissenschaftlichen Liebesbriefforschung werden als digitales Korpus und in Publikationen zur Verfügung gestellt und datenschutzkonform für zukünftige Fragestellungen dauerhaft nutzbar gemacht.
Liebesbriefe als Quelle der Alltagskultur und -sprache und deren digitale Erschließung eignen sich deshalb auch für das interdisziplinäre Arbeiten im Schulunterricht. Sie können dazu beitragen, die im hessischen Kerncurriculum für das Fach Geschichte verankerte Wahrnehmungskompetenz für Kontinuität und Veränderung in der Zeit (S. 11) zu schulen, dazu anregen, Sprache und Sprachgebrauch zu reflektieren (Kerncurriculum Deutsch, S. 12) und gleichzeitig die Schüler*innen an die Digitalisierung solcher Quellen mithilfe von XML / TEI heranführen.